Die Schweiz hat mit ihren Sozialversicherungen und der privaten Vorsorge ein bewährtes System. Hat dieses Zukunft?
Mario Burkhalter: Ja, hat es. Unser 3-Säulen-System gilt als eines der besten der Welt und dient mancherorts als Vorbild. Generell ist es aber wichtig und richtig, dass die bestehenden Gesetzgebungen aller Sozialversicherungen in einem gelebten direktdemokratischen Prozess hinterfragt und den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden können, um deren Fortbestand zu sichern. Derzeit führt die gesteigerte Lebenserwartung in der AHV beispielsweise dazu, dass Renten in der Tendenz länger ausgerichtet werden müssen. Zudem ist die Geburtenrate rückläufig und kommen geburtenstarke Jahrgänge von
1955 bis 1970 ins Rentenalter oder sind bereits pensioniert. Das finanzielle Gleichgewicht der AHV ist immer schwieriger zu erreichen; die Ausgaben steigen stärker als die Einnahmen. Deshalb wurde am 25.9.2022 die Reform zur Stabilisierung der AHV angenommen und per 1.1.2024 in Kraft gesetzt.
Warum sind Reformen nötig?
Die Gesellschaft ist im Wandel. Aktuell besteht zum Beispiel ein Bedürfnis nach mehr Flexibilität bzw. Individualität. Teilzeitarbeit, flexible Karriereplanung, Arbeiten über den ordentlichen Pensionierungszeitpunkt hinaus oder frühzeitige Pensionierung sowie die höhere Lebenserwartung und Altersarmut sind Themen, welche die Gesellschaft bewegen.
Wird private Vorsorge immer wichtiger?
In der Regel kann bei der Pensionierung aus der 1. und 2. Säule mit ungefähr 60 Prozent des letzten Lohns in Rentenform gerechnet werden. In der Praxis zeigt sich, dass dieser Wert oftmals nicht mehr ausreicht, um den gewohnten Lebensstandard aufrechtzuerhalten. Um die drohende Lücke zu verringern, bietet sich die private Vorsorge an, etwa mit regelmässigen Einzahlungen in die Säule 3a. Was sind die Unterschiede zwischen den Säulen 3a und 3b? Die Säule 3a ist gebunden. Das bedeutet, dass Einlagen zwar von steuerlichen Vorteilen profitieren, der Zugriff aufs einbezahlte Kapital aber nur beschränkt möglich ist:
- fünf Jahre vor dem Erreichen des ordentlichen Rentenalters
- bei der Aufnahme einer selbstständigen Erwerbstätigkeit
- bei einer definitiven Auswanderung
- beim Kauf von selbst benutztem Wohneigentum
- für die Rückzahlung einer bestehenden Hypothek auf selbst benutztem Wohneigentum für den Einkauf in die Pensionskasse.
In die Säule 3a können nur Personen ab 18 Jahren mit einem AHV-pflichtigen Einkommen einzahlen, also Angestellte oder Selbstständigerwerbende. Die Säule 3b unterliegt im Gegensatz zur Säule 3a nicht staatlichen Vorsorgevorgaben. Deshalb stehen in der freien Vorsorge viele unterschiedliche Anlageinstrumente offen, wie Sparkonto, 3b-Lebensversicherungen, Aktien, Obligationen, Anlagefonds, Immobilien usw. Grundsätzlich kann auf Guthaben in der Säule 3b jederzeit zugegriffen werden, unter den jeweils gültigen Rückzugsbedingungen der Produkte. Für diese Flexibilität entfällt der Vorteil des Steuerprivilegs. Die Säule 3b ergänzt die gebundene Vorsorge zusätzlich und bietet die Möglichkeit, frei und nach individuellen Bedürfnissen für die Zukunft vorzusorgen. Einzahlen können alle, unter Berücksichtigung der Bestimmungen der gewählten Lösung.
Schweizer sparen. Auch für die private Vorsorge?
Studien belegen, dass die Möglichkeiten der 3. Säule erstaunlicherweise nur teilweise oder gar nicht genutzt werden. Das ist einigermassen überraschend, da die private Vorsorge doch zunehmend an Bedeutung gewinnt. Es erscheint mir eher unwahrscheinlich, dass sich bis zu meiner Pensionierung die finanzielle Lage von AHV und Pensionskasse drastisch verbessert. Neben dem Ansparen von Vorsorgekapital bringt eine regelmässige Einzahlung in die Säule 3a auch eine Optimierung der Steuersituation mit sich.
Die SLF bietet verschiedene Angebote an …
Die interessanteste Form der privaten Vorsorge ist die Säule 3a-Wertschriftenlösung. Wir helfen den Kundinnen und Kunden, ihr Anlageprofil zu ermitteln, damit sie den für sie geeigneten Vorsorgefonds finden. So profitieren sie nicht nur von den Steuerprivilegien, sondern auch noch von den Renditechancen an den Anlagemärkten. Dies kann aufgrund des meist sehr langen Anlagehorizonts einen bedeutenden Ertragsunterschied ausmachen, insbesondere in Zeiten von hoher Inflation beziehungsweise niedrigen Zinsen. Selbstverständlich bietet die SLF auch die klassische Kontolösung an. Dort kann vom Vorzugszins profitiert werden. Das einbezahlte Kapital unterliegt keinerlei Schwankungsrisiken und steht den Kunden bei der Auflösung inklusive Zinserträgen zur Verfügung. Was empfehlen Sie jungen Menschen? Möglichst früh mit dem Sparprozess anfangen, das Optimum herausholen! Statt von sparen sollten wir hier von investieren reden. Generell gilt, dass sich über eine längere Spardauer der Zinseszinseffekt gewaltig auswirkt.
Ihr Rat an langjährige Angestellte?
Wenn es eine freie Sparquote gibt und es die aktuelle Lebenssituation zulässt, sollte die Investition in die Säule 3a bis zum Maximalbetrag die erste Wahl sein. Auch ab 50 Jahren kann der Anlagehorizont für Wertschriftenanlagen noch genügend lang sein. Wie gelingt Optimierung am besten? Um später bei der Auflösung der Vorsorgekonti die Steuerprogression zu brechen, empfehlen wir ab einem Guthaben von ca. 60 000 Franken die Eröffnung eines zweiten 3a-Kontos. Denn das Vorsorgeguthaben auf Säule 3a-Konti kann nicht in Teilbeträgen von einem Konto bezogen werden. Eine Ausnahme bildet hier der Bezug für die Wohneigentumsförderung. Da die ordentliche Rückzahlung des Vorsorgevermögens frühesten 5 Jahre vor dem Erreichen des Referenzalters zulässig ist, macht in der Regel eine Aufteilung auf maximal fünf verschiedene Konti Sinn.
Welchen Tipp geben Sie unseren Leserinnen und Lesern mit?
Vorsorge bedeutet, sich über die (eigene) Zukunft Gedanken zu machen: Welchen Risiken muss ich mich stellen und wie kann ich ihnen begegnen? Am Anfang kann es helfen, eine persönliche Vorsorgesituation zu überprüfen. Wir bieten diesbezüglich auf unserer Website einen praktischen Vorsorge-Check-Rechner an. Anschliessend empfehlen wir das persönliche Gespräch mit unseren Spezialistinnen und Spezialisten. Gemeinsam wird die Situation analysiert und massgeschneiderte Empfehlungen ausgearbeitet. Auch wenn nicht der Maximalbeitrag in die Säule 3a möglich ist, lohnt sich eine Einzahlung trotzdem. Wichtig ist, dass man mit der privaten Vorsorge in der Säule 3a beginnt. Unsere Produkte bieten genau diese Flexibilität, um sie der jeweiligen Lebenssituation anzupassen. Herr Burkhalter, vielen Dank für dieses Gespräch.
Interview: Thomas Feuz